Digitale Transformation und Psychologie scheinen erst mal ohne Bezug zueinander zu stehen. Aber nach meiner Erfahrung ist die Psychologie ein ganz wesentlicher Aspekt, den es in diesen Zeiten des Umbruchs zu berücksichtigen gilt. Als Dokumentenmanager habe ich in den letzten Jahren immer wieder Projekte zum Thema Digitalisierung und Automatisierung im Büro begleitet, geplant und bei der Umsetzung geholfen. Dabei habe ich erfahren, dass die Menschen in den Büros ganz unterschiedlich auf die Veränderungen reagieren.
Norbert Seibt – Dokumentenmanager und Heilpraktiker für Psychotherapie in einer Person.
Ein digitaler Transformationsprozess ist sowohl Ursache für Freude am Neuen und Zuversicht in der Veränderung, aber auch für ängstliche Skepsis bis hin zur offenen Ablehnung. Schon immer war es mir ein Anliegen aus Betroffenen Beteiligte zu machen und möglichst alle „an Bord“ zu holen. Aber als externer Berater für Digitalisierung stehen mir dafür nur begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung. Denn digitale Transformation nimmt auch starken Einfluss auf das Privatleben. Hier sogar oft noch schneller als im Beruf.
Von Anfang an die Sorgen und Bedenken der Beteiligten ernst nehmen.
Die digitale Transformation erfordert neben den technischen und organisatorischen Themen auch die Berücksichtigung beim Umgang mit den Beteiligten und deren Meinungen und Bedenken. In meiner Erfahrung wird dieser Bereich aber in den Entscheidungsphasen zu wenig implementiert. Die Entscheider beziehen diese Themen zu wenig ein und später stößt man auf berechtigten Widerstand. Während ein digitaler Transformationsprozess für einen Mitarbeiter ein klarer Vorteil ist, kann er beim Kollegen Ängste und Sorgen auslösen. Ich habe das in der Praxis durchaus auch als offene Blockade bis hin zur Verweigerungshaltung erlebt, die soweit ging, dass Prozesse einfach nicht richtig ausgeführt wurden und das System damit immer wieder „sabotiert“ wurde.
Meine Ausbildung zum Burnout-Berater hat meine Erfahrungen untermauert.
Nach meiner Ausbildung und Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie begann ich mit der Fortbildung zum Burnout-Berater. Es geht um die Auseinandersetzung mit den Ursachen und Folgen von Stress und der Entwicklung bis hin zum Burnout. Burnout ist keine Krankheit, sondern das Ende einer teilweise langjährigen Entwicklung. Das betriebliche Gesundheitsmanagement setzt sich mit dem Begriff salutogene Arbeit auseinander. Wann ist eine Arbeitsumgebung gesundheitsfördernd, wann ist sie „krankmachend“? Diese Betrachtungsweise hat mir gezeigt, warum die digitale Transformation der Arbeitsweise mit Veränderungen der Arbeitssituation einhergeht. Dadurch ausgelöste Unsicherheiten in der Anwendung bedeuten Stress für den Mitarbeiter und je länger das Problem besteht, desto mehr manifestieren sich die Stresssymptome im Körper. Die Folge ist eine chronische Abwärtsspirale, wenn man keine Gegenmaßnahmen ergreift. Also wird die Einführung eines komplexen DMS-Systems durchaus auch eine Herausforderung in der Neubewertung der Arbeitssituation nach sich ziehen.
Was hat digitale Transformation mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement zu tun?
Das obige Thema ist mit Sicherheit kein Plädoyer gegen die Einführung eines im Unternehmen konsequent umzusetzenden DMS-Projekts. Ein digitaler Transformationsprozess ist eine wichtige Grundlage, um sich an die neuen Technologien und die neuen Herausforderungen im Markt und in der Wettbewerbssituation anzupassen. Aber auch die Arbeitssituation des einzelnen Mitarbeiters wird sich ohne ein professionelles DMS zunehmend verschlechtern und die Grundlage für Belastung und Stress bieten. Denn ohne DMS lösen einige alt bekannte Situationen aufgrund der immer schneller und komplexer werdenden Arbeitszyklen wirklich Stress aus:
Es fehlt manchmal der Überblick, ob man nach Papier oder nach Datei, im Outlook, auf dem Server oder in der Projektverwaltung suchen muss.
- Wichtige Genehmigungen und rechtlich notwendige Formulare fehlen
- Komplexere Abläufe ohne Automatisierung erhöhen Jahr für Jahr das „Dran-denken-müssen“
- Auch ohne Konzept stecken wir mitten in der Digitalisierung, aber sind dann allein gelassen
- Der Zeitdruck steigt, da moderne Kommunikationsmittel eine nahezu „Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit“ erzwingen.
- Erhöhte Dokumentationspflichten und vorgeschriebene Datenschutzregeln erhöhen den Verwaltungsaufwand.
- Neue Technologien werden „ganz nebenbei“ im Unternehmen eingeführt ohne ein sinnvolles Konzept, ohne notwendige Basisschulungen und nachfolgende Trainings.
- Und so weiter…..
Digitale Transformation auf Basis eines sinnvoll und strukturiert aufgebauten DMS Projekts kann unter Einbeziehung aller Betroffenen vielen dieser Ursachen den Boden entziehen. Damit ist es, meiner Meinung nach, ein wichtiger Beitrag zum betrieblichen Gesundheitsmanagement.
Digitale Transformation ist deswegen ebenso wichtig wie der passende Stuhl, der richtige Schreibtisch und die augenschonende Beleuchtung. Denn das alles hilft nicht gegen Verspannungen und Stress, wenn die Vorgänge, die über diesen Schreibtisch laufen, auch bei gutem Licht betrachtet, den Anwender fast von seinem ergonomisch optimierten Stuhl fallen lassen.
4,3 Millionen Krankheitstage in Deutschland durch Burnout. Zeit zu handeln.
Deswegen sehe ich in meiner zweiten beruflichen Ausrichtung eine sinnvolle Ergänzung zu meiner Tätigkeit als Dokumentenmanager. Die Pandemie hat die Veränderungen noch beschleunigt und oft war gar keine Zeit mehr für ausreichende Vorbereitung und Realisierung so mancher Veränderungen. Umso wichtiger ist deswegen die Nachbearbeitung, um zu verhindern, dass wir erst später auch negative Folgen der digitalen Ausrichtung zu spüren bekommen durch zunehmenden Krankenstand und Kündigungen.
Laut einer erfassten Statistik: Die AOK zählte 2019 durchschnittlich 5,9 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 1.000 Mitglieder aufgrund einer Burn-out-Diagnose. Damit hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt beinahe verdoppelt. Auch das Krankheitsvolumen dieser Diagnosegruppe hat sich rapide erhöht: waren es 2005 noch 13,9 Krankheitstage registrierte die AOK 2019 bereits 129,8 AU-Tage je 1.000 Mitglieder.Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2019 rund 185.000 Burn-out-Betroffene mit kulminierten 4,3 Millionen Krankheitstagen. Dabei sind nur die gesetzlich versicherten erfasst. Aber das Thema Burnout betrifft auch viele Selbstständige und Führungskräfte, die oft privat versichert sind.
Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/239872/umfrage/arbeitsunfaehigkeitsfaelle-aufgrund-von-burn-out-erkrankungen/
Nutzen Sie diese Expertise, um vollendete, bestehende und zu planende Projekte unter diesem Gesichtspunkt abzusichern. Lassen Sie neben allen technischen und organisatorischen Aspekten auch das Thema „Gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung“ im Rahmen einer Informationsveranstaltung oder eines Workshops in das Projekt mit einbeziehen.